00:34

Der Wecker steht auf 00:34. Ich kneife meine Augen zusammen und versuche die Uhrzeit zu entziffern. Nichts rührt sich. Immer noch 00:34.

Was tun die Menschen, die nicht schlafen können?

00:34

Dreht sich vielleicht ein alter Mann gerade das letzte Mal in seinem Bett um, küsst seine Frau, mit der er seit über 70 Jahren sein Leben geteilt hat, und streitet dem hellen Licht am Ende des Tunnels mit eiligen Schritten entgegen?

Sein Leben zieht sich wie eine Kurzzusammenfassung eines Films an ihm vorbei.

Er erlebt zum letzten Mal die Freude, das Leid, die Liebe, den Stolz, die Enttäuschung und die Zufriedenheit, die ihn in seinem Leben begleitet haben.

Eine Träne zieht eine Spur auf seiner Wange, plötzlich muss er laut schluchzen. Seine Frau rückt schlaftrunken näher an ihn heran und streicht liebevoll über seinen Arm. Er schaut sie ein letztes Mal an, wie wunderschön sie neben ihm schläft. Plötzlich muss er lächeln: Du musst mich gehen lassen. Es wird langsam Zeit. Ewig dein, ewig mein, ewig uns.

Langsam sinkt er auf sein Kissen, atmet noch einmal tief ein und gleitet in die allumfassende Stille.

00:39

Gerade kommen zwei junge Leute aus dem Kino, eine gute Frau und ein junger Mann. Scheu gucken sie sich an, wissen nicht, was sie sagen sollen. Vielleicht:

Es war echt sehr schön mit dir heute Abend. Ich muss leider nach Hause. Weil sie sich nicht traut, ihn zu fragen, ob sie vielleicht noch etwas trinken wollen, aus Angst er könnte anders empfinden und ablehnen.

Sie ist wunderschön, doch wer ist der andere Mann, der sie vor ein paar Minuten auf ihrem Handy weggedrückt hat? Meint sie es vielleicht nicht ernst?

Beide starren auf ihre Füße, bis ein Pärchen neben ihnen sich entschließt noch in die benachbarte Bar zu gehen. Beide lauschen den beiden, die lachend in die dunkle Nacht verschwinden.

Sie schaut auf, ihr Blick tastet fragend nach seinem. Er lächelt und nickt.

Und plötzlich ist diese unangenehme Stille verschwunden. Beide müssen auf einmal lachen. Sie harkt sich bei ihm unter und sie folgen dem Pärchen in die Dunkelheit.

Die Ungewissheit ist für einen Moment verschwunden. Alles was jetzt geschehen mag ist offen. Ein offener Schluss einer schönen Begegnung, die vielleicht zu diesem Zeitpunkt nicht beendet sein wird. Wie das Ende der Geschichte sein wird, das entscheiden die Hauptpersonen und vielleicht auch das Schicksal.

00:47

Ein Mädchen liegt in ihrem Bett und kann nicht schlafen. Gedanken schwirren durch ihren Kopf wie ein Schwarm Mücken, die sie nicht zur Ruhe kommen lassen wollen.

Sie dreht sich von einer zur nächsten Seite, nimmt ihr Buch in die Hand, legt es wieder neben sich, setzt sich auf, steht auf und geht in ihrem Zimmer herum, um sie herum nur Stille.

Das Mädchen lauscht den Geräuschen im Haus: ein leises Knacken des Schrankes, die leise Musik, die aus ihrem iPod spielt. Barcelona - it's about time.

Zeit zu schlafen. Sie erinnert sich an das Lied, das sie heute den ganzen Tag gehört hat: als sie mit dem Hund durch den Wald gestreift ist, als sie zur Fahrschule gefahren ist, mal wieder in Eile, weil sie immer zu spät kommt. Ein Lächeln schleicht sich auf ihr Gesicht.

Vielleicht wird sie diese Nacht auch wieder in der Küche verbringen, wie die Nächte zuvor. Sie wird Kakao trinken und die Stille genießen.

Mhh.Mhh.

They don’t know me, they don’t know more than I show.

She’s walking up to him so slowly
It’s about time, it’s about time to fly away, but wait
This one is different cause she’s lonely
Fold your wings, you’ll need them more one day.